Mietzahlungspflichten bei coronabedingter Schließungsverfügung
Mietzahlungspflichten bei coronabedingter Schließungsverfügung
Die Geschäfte mussten schließen. Die Frage, ob die vertraglich vereinbarte Miete dennoch zu zahlen ist, beurteilen die Gerichte unterschiedlich.
OLG Dresden: Halbe Miete in Zeiten von Corona
Im zu entscheidenden Fall hat die beklagte Mieterin, die einen Textileinzelhandel betreibt, die Miete für den Monat April 2020 nicht gezahlt. Sie konnte in der Zeit vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 ihr Geschäft aufgrund der coronabedingten Schließungsverfügung nicht öffnen. Sie ist der Ansicht, dass die Miete für den Zeitraum der Schließung auf „Null“ reduziert sei und beruft sich dabei auf einen Mangel des Mietobjekts, hilfsweise auf Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung und auf eine Reduzierung der Miete im Wege der Anpassung des Mietvertrages nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Der Vermieter fordert die vollständige Zahlung der vertraglich vereinbarten Miete. Er behauptet, dass mit der staatlichen Schließungsanordnung ein typisches unternehmerisches Risiko verwirklicht habe, welches der Mieter trage.
Das Oberlandesgerichts Dresden hat in dem am 24.02.2021 verkündeten Urteil entschieden, dass für ein von staatlicher Schließungsanordnung aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen betroffenes Ladenlokal nur eine angepasste Miete zu zahlen ist.
In der Urteilsbegründung ist ausgeführt, dass durch die Schließungsanordnung kein zur Mietminderung führender Mangel des Mietobjektes begründet worden ist und die Vorschriften der Unmöglichkeit nicht anzuwenden sind. Allerdings ist infolge des Auftretens der Corona-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung eine Störung der (großen) Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB des Mietvertrages eingetreten, die eine Anpassung des Vertrag erforderlich macht.
Im vorliegenden Fall kam der Senat zu der Entscheidung, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte zu reduzieren ist. Dies sei gerechtfertigt, weil keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen habe. Es sei daher im vorliegenden Fall angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen.
Der Senat betont, dass das Festhalten am bestehenden Vertrag nicht erst dann auszugehen ist, wenn die Mietpartei in eine existenzgefährdende Lage gerät.
OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021, AZ: 5 U 1782/20
Kammergericht: Herabsetzung der Gewerbemiete für die Zeit staatlich angeordneter Schließungen
In einem Berufungsverfahren hat das Kammergericht entschieden, dass die Gewerbemiete für die Zeit während staatlich angeordneter Schließungen herabzusetzen ist. Eine konkrete Existenzbedrohung des Mieters im Einzelfall müsse nicht nachgewiesen werden.
Das Auftreten einer Pandemie mit den entsprechenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben stellt eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände dar und verwirklicht damit das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage.
Kammergericht, Urteil vom 01. April 2021, AZ: 8 U 1099/20
Andere Ansicht – OLG Karlsruhe: Keine Entbindung von der Pflicht zur Mietzahlung
Das OLG Karlsruhe hat am gleichen Tag entschieden, dass die Schließung eines Ladenlokals aufgrund der coronabedingten Schließungsverfügung nicht von der Pflicht zur Mietzahlung entbindet. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe liegen weder die Voraussetzungen einer Mietminderung vor noch ist dem klagenden Vermieter die Leistung als Vermieter unmöglich geworden. Eine coronabedingte Schließungsanordnung begründet keinen Sachmangel des Mietobjekts, der einen Mieter zur Minderung der Miete berechtigt. Der Zustand der Mieträume erlaubt weiterhin die vertraglich vorgesehene Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts, so dass auch unter diesem Aspekt die Mietzahlungspflicht nicht wegfällt.
Eine Unzumutbarkeit der vollständigen Mietzahlung käme grundsätzlich in solchen Fällen unter dem Gesichtspunkt eines „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ in Betracht, in denen Mieter in ihrer Existenz gefährdet wären, wenn sie die Miete bezahlen müssten, oder ihr wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtig wäre und auch die Interessenlage des Vermietenden eine Vertragsanpassung erlaube. Hierfür ist eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls erforderlich. Zu prüfen ist u. a., ob der Rückgang der Umsätze möglicherweise durch Onlinehandel oder durch öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen kompensiert werden konnte. Besondere zu einer Unzumutbarkeit der Mietzahlung führende Umstände hatte die Mieterin im zu entscheidenden Fall nicht in ausreichender Weise geltend gemacht, so dass sie die ausstehende Miete zahlen muss.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021, AZ: 7 U 109/20
Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Zur Fortbildung des Rechts wurde die Revision zugelassen.