Rezeptur- oder Fertigarzneimittel?

Auf den ersten Blick kann die Unterscheidung vermeintlich recht einfach anhand der Definitionen des Arzneimittelgesetzes und der Apothekenbetriebsordnung vorgenommen werden.

Gemäß § 1a Abs. 8 ApBetrO ist ein Rezepturarzneimittel ein Arzneimittel, das in der Apotheke im Einzelfall auf Grund einer Verschreibung oder auf sonstige Anforderung einer einzelnen Person und nicht im Voraus hergestellt wird. Rezepturarzneimittel unterliegen nicht der Zulassungspflicht des AMG. Fertigarzneimittel hingegen werden – vereinfachend dargestellt – u.a. im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht. Sie sind zulassungspflichtig.

Das Landgericht Hamburg hatte jüngst darüber zu befinden, ob eine Opiumtinktur, die in Deutschland nicht über eine Zulassung als Fertigarzneimittel verfügte, von einer Apotheke unter bestimmten Voraussetzungen als Rezepturarzneimittel an Patienten abgegeben werden darf. Die beklagte Apotheke hatte eine solche Tinktur, die die gleiche Zusammensetzung und Formulierung wie „Dropziol“ hatte, nach Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung an Patienten abgegeben. Die in der Apotheke nach Vorlage der Verordnung durchgeführten „Herstellungsprozesse“ beschränkten sich auf das Abfüllen in ein eigenes Fläschchen, die Kennzeichnung, die Dokumentation und die Freigabe. Auf Unterlassung geklagt hatte ein Wettbewerber, der Zulassungsinhaber und pharmazeutische Unternehmer bezüglich des Arzneimittels „Dropziol 10mg/ml Tropfen zum Einnehmen, Lösung“.

Das Landgericht Hamburg hat in seiner Entscheidung (Urteil vom 4.2.2021 – 312 O 112/20) festgehalten, dass es das abgegebene Arzneimittel nicht als Rezeptur-, sondern vielmehr als Fertigarzneimittel ansieht. Zur Begründung führt es aus, dass die in der Apotheke nach Vorlage der Verordnung aufgeführten Herstellungsschritte im gesamten Herstellungsprozess von untergeordneter Bedeutung sind „… den Gesichtspunkt der Serienherstellung, der die Einführung des vorbeugenden Zulassungsverfahren rechtfertigt, nicht aufzuwiegen“ vermögen. Unter Verweis auf die Atemtest-I- Entscheidung des BGH hat das Landgericht weiter ausgeführt, dass es für die Bejahung des Vorliegens eines Rezepturarzneimittels erforderlich sei, dass das Mittel tatsächlich aufgrund einer individuellen Rezeptur hergestellt wird. Hieran aber soll es fehlen, wenn ein Mittel in keiner Weise mehr von der an den Apotheker angelieferten Bulkware abweicht. Ein bloßes Aufteilen des gebrauchsfertigen Wirkstoffs in Portionen mache diesen zu einem Fertigarzneimittel.

Die in § 21 Abs. 2 Nr. 1b lit. c)  AMG vorgesehene Zulassungsfreiheit der Auseinzelung bezieht sich im Übrigen auf Fertigarzneimittel, die bereits in Deutschland über eine Arzneimittelzulassung verfügen.

Mangels entsprechender Zulassung in Deutschland liegt damit nach der Entscheidung des Landgerichtes Hamburg eine unzulässige Abgabe eines Fertigarzneimittels vor. Die beklagte Apotheke ist folglich zur Unterlassung der Abgabe an Endkunden verpflichtet worden, solange für die Tinktur keine Arzneimittelzulassung vorliegt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Über den Fortgang des Verfahrens unterrichten wir Sie.

Eine Apothekerin mischt mit Handschuhen und in einem Mörser ein Medikament